Das Gekappel um die Buchmesse ist keine wirklich neue
Situation für Frankfurt. Schon die erste ihrer Art kehrte der Stadt Mitte des
18. Jahrhunderts den Rücken - und das nach beinahe 300 Jahren.
Frankfurt, Buch und Messe, das sind drei Dinge, die bereits im 15. Jahrhundert
zusammen gehörten. Frankfurt war seit Anfang des 16. Jahrhunderts, als der
Drucker Christian Egenolff seine Druckerei von Straßburg an den Main verlegte,
das Zentrum des Europäischen Buchdrucks.
Heute erinnert nur noch der Straßenname daran, dass zwischen dem
Leonhardskirchhof und der Braubachstraße die erste aller Buchmessen vonstatten
ging. In 20 Gewölben längs der heutigen Buchgasse wurden Bibeln, Bücher und
Rohdrucke, Stiche und Bildergeschichten und sogar Messekataloge verkauft.
Viele Frauen saßen im Gewölbe, zum Beispiel Albrechts Dürers Frau, die seine
Bilder feilbot, und Maria Sybilla Merian, die dort ihre handkolorierten Bücher
verkaufte.
Sie war ein Diskussionsforum, die Buchmesse, und mancher Schriftsteller nannte
Frankfurt das "neue Athen". Reformation und Gegenreformation, beides fand in
der Buchgasse statt. Wenn auch viele Bibeln unters Volk gebracht wurden - dem
Klerus wollte das intellektuelle Treiben nicht gefallen. Die Auflagen wurden
strenger, die Atmosphäre rigider. "Und dann kam Leipzig, sagte, hier könnt ihr
machen, was ihr wollt, und die Buchmesse war weg", weiß Christian Setzepfandt.
Nun muss sich Geschichte ja nicht unbedingt wiederholen. Auch nicht die der
Frankfurter Messe. Und mit der beschäftigt sich der Kunsthistoriker
Setzepfandt, der seit 26 Jahren Führungen und Vorträge rund um Frankfurt
anbietet.
"Kultours" heißt sein Service, den nun die Messe Frankfurt nutzt. Sie bietet
drei Führungen an, in denen sich Setzepfandt mit Geschichte, Architektur und
wirtschaftlicher Entwicklung beschäftigt.
Mehr als zwei Millionen Besucher gehen im Messegelände jährlich ein und aus,
900 Mitarbeiter sind im Unternehmen beschäftigt, in zehn Hallen finden jedes
Jahr knapp 40 Messen mit rund 38 800 Ausstellern statt - das Unternehmen ist
eines der größten und bedeutendsten der Stadt. Deshalb will die Messe künftig
ein Mal im Monat die Tore für interessierte Frankfurter Bürger öffnen.
Denn die Geschichte der Messe, im Jahr 1150 erstmals erwähnt, ist naturgemäß
auch ein großes Stück Frankfurter Geschichte: Der heutige Wirtschaftsstandort
mit seinen Großbanken, das Handelszentrum und die Messestadt haben ihre
Wurzeln im kaufmännischen Treiben des Mittelalters. "Eine durchgängig wichtige
und historische Institution, die in Frankfurt erhalten geblieben ist", leitet
Setzepfandt die Führung ein, die auf dem Römerberg beginnt, der vom
Mittelalter an zwei Mal im Jahr mit Holzbuden übersät war.
Die Kaufleute verteilten sich in der ganzen Altstadt, durch die der
Kunsthistoriker etwa zwei Stunden führt. Da gibt es die Neue Kräme, auf der
Haushaltswaren und Gewürze feil geboten wurden, die Römerhallen, in der es
Wertvolles wie Juwelen, edle Stoffe wie Seide und Brokat und im 18.
Jahrhundert Porzellan zu erstehen gab oder das Leinwandhaus, eines der
ältesten Gebäude der Stadt, das ganz aus Stein gebaut wurde, in dem wertvolles
Leinen hergestellt und verkauft wurde.
Auch die Wurzel aller Banken, ein Bretterverschlag vor der Alten
Nikolaikirche, worin einer die Währung aus aller Welt wechselte, gehört zu den
Errungenschaften der Messe. Allerdings ist von der historischen Messe wenig
übrig geblieben. Ein Abstecher ins Historische Museum macht deutlich, welcher
Trubel auf Frankfurts Straßen und Plätzen zu Messezeiten herrschte. Etwa am
Hafen, der sich einst am Leonhardstor befand. Das berühmte Gemälde von
Friedrich-Wilhelm Hirt aus dem Jahr 1757 veranschaulicht die Bedeutung des
Ortes, an dem Straßen und Wasserweg zusammenliefen.
Heute ist die Messe mit ihrer 470 000 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche
beinahe ein Stadtteil, der zu Messezeiten wie damals ganz Frankfurt
beherrscht. Heute wie damals profitiert die ganze Stadt davon. Und heute wie
damals stellte die Messe, die von jeher international geprägt war, so
Setzepfandt, "eine Brücke zwischen den Völkern" dar.
Copyright © Frankfurter Rundschau 2003