Überaus lebendig
Am Tag des Friedhofs zeigt sich die
Begräbnisstätte von einer unbekannten Seite
VON DANIJEL MAJIC
Ein Ort der Ruhe und Besinnlichkeit ist der
Frankfurter Hauptfriedhof am Sonntagmorgen nur bedingt. Bunte Fahnen
flattern am Neuen Portal im Wind. Dahinter empfängt ein
überdimensionierter Trauerkranz, in dessen Schatten Steinmetze und
Grabpfleger ihr Können demonstrieren, die Besucher. Ein Tag der offenen
Tür, im wahren Sinne des Wortes: Sowohl die Trauerhalle als auch das
Krematorium und verschiedene Mausoleen können von den interessierten
Be-suchern besichtigt werden.
Unter dem Motto "Erinnerung hat viele Farben" haben das Grünflächen- und
Denkmalamt sowie die Genossenschaft der Friedhofsgärtner zum siebten
"Tag des Friedhofs" geladen. Den 1828 angelegten Hauptfriedhof in seinem
ganzen Facetten-reichtum zu präsentieren, haben sich die Veranstalter
auf die Fahnen geschrieben. Lesungen und Konzerte in der Trauerhalle des
neuen Portalbaus beschäftigen sich mit dem Thema Trauerarbeit, während
im Eingangsbereich verschiedene religiöse Gemeinschaften ihre Toten- und
Trauerrituale vorstellen.
Prominente und Namenlose
Als der Hauptfriedhof im 19. Jahrhundert angelegt
worden ist, war wohl noch nicht abzusehen, welche Ausmaße die Anlage
eines Tages annehmen würde. Mit seinen etwa 80 Hektar Fläche gehört sie
inzwischen zu den größten Friedhofskomplexen Deutschlands. Ein
regelrechter Park, der sich mit einem einfachen Spaziergang kaum mehr
erschließen lässt. Thematische Führungen sollen am "Tag des Friedhofs"
auch in Frankfurt Abhilfe schaffen.
Eine Traube von vielleicht 50 Besuchern folgt
Architekturführer Wolf-Christian Setzepfandt auf seinem Rundgang von
Grabstätte zu Grabstätte. Die Gräber bedeutender Persönlichkeiten gilt
es an diesem Vormittag zu erkunden, denn nicht wenige Prominente haben
ihre letzte Ruhestätte auf dem Hauptfriedhof gefunden. Weit müssen die
Teilnehmer nicht gehen. Nur wenige Meter von der Trauerhalle entfernt
befindet sich das Grab von Altbürgermeister Franz Adickes und seiner
Frau Sophie, das ein gewaltiger Steinsarg ziert. Nur wenige Reihen
trennen die Grabstätten der beiden Frankfurter Ikonen Heinrich Hoffmann
und Friedrich Stoltze, und etwas weiter ruht Liesel "Mama Hesselbach"
Christ.
Nicht weniger beeindruckend aber als die Ruhestätten
der "großen Namen" ist die der "Namenlosen". Ein kleines Monument ohne
Inschrift schmückt das anonyme Gräberfeld des Hauptfriedhofs. Die Namen
der hier bestatteten kennt nur das Register der Friedhofsverwaltung.
"Diese Form der Bestattung ist in den letzten Jahren sehr populär
geworden", erklärt Setzepfandt. "Weil sich die Leute denken, dass sie
ihren Angehörigen damit weitere Mühe ersparen." Eine Sorge, die wohl
auch in der immer stärkeren Nachfrage nach Feuerbestattung Ausdruck
findet. Etwa 60 Prozent aller Bestattungen machen diese inzwischen aus.
Doch oft komme es auch vor, dass Angehörige darum
bitten, die sterblichen Überreste ihrer Lieben vom Gräberfeld in
Einzelgräber umzubetten. "Die Menschen wollen eben einen individuellen
Ort des Gedenkens", glaubt Setzepfandt.
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Dokument erstellt am 21.09.2008 um 21:44:02 Uhr
Erscheinungsdatum 22.09.2008